Wie wir nach Mutter Klaras Rat und Beispiel die Übung anwenden können.

Es genügt nicht, die „Übung“ in ihrem großen, herrlichen Grundgedanken erfaßt zu haben. Wer sie praktisch anwenden, wer sie zur festen Grundlage seines Sterbens nach Vollkommenheit machen will, wird gern in die Schule der seligen Mutter geben und von ihr zu lernen suchen, wie man die eine leitende Idee auf die einzelnen Fälle des Lebens anwendet. Es ergeben sich dann eine Reihe einzelner Anwendungen der Übung, die zusammen das ausmachen, was wir als die „Übung“ der seligen Mutter kennen.

Andacht zum Heiland im heiligsten Sakrament.

Das ist die Voraussetzung, gewissermaßen die Grundlage: innige Andacht zum heiligsten Sakrament des Altars, die vor allem besteht in der Übung der drei göttlichen Tugenden gegenüber dem im Sakrament verborgenen Gott. „Glaube, Vertrauen und Liebe“ nennt es die selige Mutter so schön. Sie wird nicht müde, auf diesen Grundforderung hinzuweisen.

Sie verlangt Glauben. „O Allmacht des Wortes Jesu! Sieh, Brot hält der Priester in der Hand, er spricht im Namen Jesu: ‚Das ist mein Leib‘, und es ist kein Brot mehr da, und was er in der Hand hält, ist Jesus selbst, Jesus, unser Heiland, unser Leben, derselbe, der für uns in der Krippe geweint, der für uns am heiligen Kreuz gestorben. O Allmacht des Wortes Jesu! O Herr, di wirkst hier unter uns ein größeres Wunder als im Anfange, wo durch dein allmächtiges Wort Himmel und Erde wurden, ein größeres Wunder als zur Zeit, wo du in den Schoß der heiligen Jungfrau herabstiegst. Dies unaussprechliche Wunder sehen wir täglich und erfahren es und glauben es und bleiben kalt dabei und betreten oft die heilige Stätte, wo es gewirkt wird, mit weniger Ehrfurcht, als wir das Haus eines Menschen betreten. Was wird aus uns werden, wenn der Herr Rechenschaft fordern wird von dem in diesem Sakrament uns anvertrauten Schatze, womit wir unermeßlichen Wucher hätten treiben können für die Ewigkeit? (Math. 25, 14-19.) O bereuen wir unsere Nachlässigkeit und erwecken wir unsern Glauben aufs neue: wahrlich, hätte er nur die Größe eines Senskorns, wir würden durch dies heilige Opfer Wunder wirken und Berge versetzen (Matth. 17,19).“

In einer Betrachtung erwägt sie die Frage des Herrn an Martha: „Glaubst du das?“ und das Bekenntnis Marthas: „Ja, Herr, ich glaube, dass du Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, bist, der in diese Welt gekommen ist“ (Joh. 11,26f.). Die selige Mutter macht, wie so soft, die Anwendung auf das allerheilligste Sakrament. Unter uns will der Herr durch sein heiliges Sakrament die nämlichen Wunder wirken wie damals (bei der Auferweckung des Lazarus) und größere Wunder noch, Wunder der Gnade. Aber um diese Wunder wirken zu können, verlangt er auch von uns den nämlichen Glauben, den er einst von jenen verlangte, an denen seine Wundertaten geschahen. Wenn unser Glaube an das heiligste Sakrament recht lebendig wäre, so würde uns in allem geholfen sein. Wir mögen wohl zuweilen wünschen, zu der Zeit gelebt zu haben, wo der Herr auf Erden wandete, um bei ihm Trost und Hilfe finden zu können; aber täuschen wir uns nicht, wir haben ja denselben Herrn mit der nämlichen Liebe, die er damals zu uns Menschen trug, bei uns. Wenn jezt unser Glaube an ihm im heiligen Sakrament nicht lebendig ist, so würde er noch schwächer gewesen sein, wenn wir den Herrn in seiner Betrachtung und Schmach gesehen hätten. Glauben wir denn, glauben wir fest, dass auf dem Altare wahrhaft gegenwärtig ist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes (Matth. 16,16). Lassen wir uns von diesem Glauben ganz durchdringen.“

Kernige Gedanken bietet die Betrachtung „Mysterium des Glaubens“ (‚mysterium fidei‘ kanon der heilige Messe). „Geheimnis des Glaubens! Im Glaube beten wir dich an; wir bringen dir das Opfer unseres schwachen Verstandes, wir freuen uns, dass du unendlich über unsern kurzsichtigen Verstand erhaben bist. Wir glauben an dich, o Herr, fester, als wenn wir dich mit Augen sähen; denn unsere Augen können uns betrügen; dein Wort aber ist die Wahrheit (Joh. 6,69).“

Aus dem Glauben erwächst Hoffnung, Vertrauen. „Bevor die heilige Kirche, die Braut des Herrn, ihre Gläubigen mit dem heiligen Sakramente speist, zeigt sie ihren Bräutigam mit den Worten: ‚Sehet das Lamm Gottes!‘ Durch diese Worte will sie alle Kinder der Gnade einladen, ihnen allen Mut machen, hinzuzutreten zu dem Lamme, das der Welt Sünden hinwegnimmt (Joh.1,29). Wie wohl kennt die Kirche die Gesinnungen desjenigen, der nicht gekommen ist, zu verdammen, sondern zu helfen und zu retten! (Luk.9,56) – Gehet das Lamm Gottes, noch nicht zum Gericht in die Welt genommen, sondern um alle selig zu machen! (Joh. 12,47). Sehet das Lamm, das die Schafe erlöst hat! (Ostersequenz.) Sehet das Lamm, das getötet worden! (Offb.5,12.) Sehet das Lamm führt die Schafe auf seine Weide und will selbst ihnen zur Nahrung werden! (Yz. 34,15).

Wenn wir jene glücklich preisen, die beim heiligen Kreuze gegenwärtig waren, so preisen wir uns nicht minder glücklich; denn mit demselben Blute, das auf dem Kalvarienberge über die Umstehenden herabfloß, werden auch wir besprengt in der heiligen Messe; auch wir können täglich hinzutreten zu Jesus, dem Mittler des Neuen Bundes und zu dem Blute der Reinigung, das besser redet als das des Ubel; wir können täglich hinzutreten, können täglich uns reinwaschen von unsern Sünden und Fehlern, womit wir uns täglich beflecken, können täglich neue Gnaden empfangen, wenn wir mit Glauben, Vertrauen und Liebe der heiligen Messe beiwohnen.“ (Konzil von Trient, 22. Sitzung, Kap.2).

Da haben wir die Beweggründe zum Vertrauen. Und nun die Übung des Vertrauens! „Suchen wir den Herrn in seinem heiligen Sakrament auf, um unsere Bedürfnisse ihm vorzustellen; wir können ihn finden, wie es unserer jedesmaligen Lage am angemessensten ist. Sind wir krank: wir finden ihn heilend! Sind wir hungrig: wir finden ihn speisend! Sind wir müde: wir finden ihn einsam, ferne von allem Geräusche der Welt, um bei ihm ausruhen zu können! Sind wir betrübt: wir finden ihn trostlos geworden, um uns zu trösten! Sind wir beladen: o wir finden ihn eine schwerere Bürde tragend, um die unsere zu erleichtern! – Fliehen wir denn allezeit zur Quelle der Gnaden, zu Jesus im hochheiligen Sakrament, und wahrlich, wir werden die Wunder seiner Erbarmungen erfahren. Ja, der Heiland im Sakrament wird noch mehr wirken in der gläubigen, vertrauenden Seele. ,Der, welcher mich isst, wird durch mich leben‘ (Joh.6,58). ‚Wer sagt, dass er in ihm bleibe, der muss auch wandeln, wie er gewandelt hat‘ (1 Joh.2,6). Sobald wir anfangen, durch den Herrn zu leben, werden auch wir den Kreuzweg gehen, den er gewandelt, werden mit Mut ihn gehen. Kennen wir nicht die Kraft, die den ersten Christen ward beim heiligen Tische, wie sie gleich Löwen von demselben aufstanden (hl. Chrysostomus, 61.Homilie) und – die Welt stamt ihren Freuden mit Füßen tretend – fröhlicher zu Marter und Tod gingen als andere zur Hochzeit? … O lernen da auch wir die unendliche Gnade immer schätzen, die der Herr uns mitteilt durch sein heiliges Sakrament; es sei dieses heilige Sakrament unsere einzige Liebe, der einzige Gegenstand unseres Verlangens, denn auf ihm beruht unsere Hoffnung. Er ist unser Leben, unsere Auferstehung (Joh. 11,25); durch seine Kraft gestärkt, werden wir durch die Wüste dieses Lebens bis zum Berge Gottes gelangen (1 Kön. 19,8). Fallen wir Mut, vertrauen wir fest!“

Glaube und Hoffnung finden ihre Vollendung, ihre Krönung in der Liebe, in glühender Liebe, vollständiger Hingabe an Gott. Auch auf diese Kunst der Heiligen versteht sich die selige Mutter. Im Sakrament erkennt sie die Liebe Gottes. „Wunderbar ist diese Erfindung der Liebe eines Gottes. Das Wort, durch das alles gemacht ist, was gemacht worden ist (Joh. 1,3), nimmt das Fleisch und die Natur des armen Menschen an! Wunderbarer aber noch zeigt sich die Liebe unseres Gottes, wenn wir sehen, wie das fleischgewordene Wort aus Liebe zu den sündigen Menschen das Brot verwandelt in seinen glorwürdigen Leib und den Wein in sein kostbares Blut!“ Diese Liebe soll mit Liebe beantwortet werden. „O Seele, so frage denn auch du dich: Warum issest du mit deinem Herrn und Meister, warum sitzest du so oft an seinem Tische? Kannst auch du antworten: Aus Liebe, weil ich liebe und nur aus Liebe? Oder musst du eingestehen: Ich bin kalt, ich liebe noch wenig, meine schwachen Gefühle verdienen noch nicht den Namen Liebe!? O möchtest du denn wenigstens an seinem Tische dich einfinden, um lieben zu lernen, um mehr zu lieben, um deine Liebe zu entzünden an dem Feuer der Liebe deinen Herrn und Meisters!“

Wie ist Gott zugegen im Geheimnis des Glaubens und der Liebe? Wahrhaft, wirklich und wesentlich, aber in ganz geheimnisvoller, gotteswürdiger, sakramentaler Weise. Er ist in der ganzen heiligen Hostie und in jedem Teil zugegen. Wie die menschliche Seele den ganzen Leib durchwaltet und in jedem seiner Glieder und Teile lebt und doch nicht die Gestalt des Leibes hat, da sie ja Geist ist, so ist Jesus in der ganzen heiligen Hostie, auch im kleinsten teil zugegen, aber ohne ihre Gestalt zu haben. Das ist das Wunderbare der sakramentalen Gegenwart, dass Christi Leib nach Art eines Geistis die sakramentalen Gestalten ganz erfüllt, aber seine eigene Beschaffenheit, seine eigene Gestalt behält. Im heiligen Sakrament ist zugegen der liebe Heiland, wie er im Himmel zur Rechten des Vaters thront. Dieser Gedanke, dass der Heiland in seiner ganzen Herrlichkeit, mit seinem wunderbaren Leben im Sakrament zugegen ist, war der seligen Mutter überaus vertraut. Nur eine Stelle, aber eine recht schöne! „Nicht nur den Tag hindurch, wo sich Anbeter finden, sondern auch die Nacht hindurch verweilt er im Tabernakel und bemacht unsere Ruhe und segnet seine Kinder und fleht beständig für sie zum Vater und freut sich, wenn eine Seele, in der Nacht erwachend, einen Liebesseufzer zu ihm hinsendet, und kommt ihr zuvor mit seinem Liebesgruße… Wenn wir uns auch dem Liebe nach von ihm entfernen, so begleitet er uns dennoch und sieht uns, wir mögen sein, wo wir wollen, gleichwie er Nathanael sah, zu dem er sprach: ‚Da du unter dem Feigenbaume warst, sah ich dich!‘ (Joh. 1,48). Mauern und Räume sind ja kein Hindernis für ihn: seine Augen sind heller als die Sonne (Pred. 23,28), und gleichwie das Tageslicht alle unsere Handlungen begleitet und beleuchtet, so auch die Augen und die Gegenwart des Herrn, der im heiligen Sakrament unser beständiger Gefährte geworden und vom Tabernakel aus alle unsere Schritte und Werke lenkt und leitet.“

So ist im heiligen Sakrament der ganze Christus zugegen. Wir verehren nach seinem Willen aber besonders sein gottmenschliches Herz. Der Herr schenkt uns in der heiligen Kommunion sein Blut, das Blut seines Herzens, zunächst das leibliche Herz, dann aber auch das geistige Herz, sein Denken und Sorgen und ganz besonders sein Lieben, die Erlöserliebe des göttlichen Herzens. Zugegen ist das Herz des armen Kindes von Bethlehem, das Herz, das für uns im bittern Leiden sich verzehrte, besonders am Ölberg in Todestrauer und Blutschweiß. „Seien wir nicht undankbar, sondern nehmen wir zu Herzen, was unser Herr für uns getan; vergessen wir nicht den Blutschweiß, den er für uns vergossen… Ein Tropfen davon kann Sünder in Heilige verwandeln. – Weichen wir nicht vom Herrn, damit wir seine Liebe stets mehr erfassen und nie vergessen.“ Zugegen ist das Herz, das sich für uns verzehrte am Kreuze! Gottverlassenheit, seine furchtbarste, ganz geheimnisvolle Qual: auch daran müssen wir Anteil haben. „Wir sind mit dem Herrn vereint, wenn wir ihn in der heiligen Kommunion empfangen haben; müssen wir denn nicht auch unsere Treue ihm beweisen? Wenngleich der Herr uns prüft, wird doch unsere Verlassenheit nie an die Qual seiner Verlassenheit heranreichen. Sind wir verlassen, so entzieht er uns weder seine Gnade noch seine Hilfe, sondern nur das Gefühl seiner Gnade; also im Grunde sind wir nicht von ihm verlassen… Die Liebe klagt wohl, aber sie verzagt nicht.“ Zugegen ist das Herz, das noch nach dem Tode von der Lanze grausam durchstoßen wurde und aus der „wohl größten, tiefsten von allen seinen Wunden“ den Strom des heiligsten Blutes hervorströmen ließ bis auf den letzten Tropfen. „Es ist die große Liebeswunde, die mehr von Feuer seiner Liebe als vom Eisen der Lanze ihn geschlagen worden.“ Es hat alles für mich hingegeben. Dieses nunmehr verklärte Herz verehren wir im heiligsten Sakrament. „Der heilige Kelch, vor dem wir anbetend niederfallen, enthält all dieses Blut bis zu dem letzten Tropfen.“ Für die selige Mutter Klara war Sakrament und Herz Jesu eins, wie für die hl. Margaretha Maria Alacoque und die Dienerin Gottes Maria vom göttlichen Herzen, Droste-Bischering. Der Herz-Jesu-Monat war eine besondere Andachtszeit der seligen Mutter (Pfülf 470).

Auch die Forderung der Herz-Jesu-Andacht: Liebe, dankbare Gegenliebe, hat, wie wir schon sahen, Mutter Clara ganz sich zu eigen gemacht und so auch jene andere der Sühne, des Ersatzes für Verunehrungen, Mangel an Liebe. Lieblosigkeit von uns und andern gegen das im heiligen Sakrament verborgene Herz Jesu. „Sei eifrig bemüht, das Leiden deines Herrn täglich, stündlich dem himmlichen Vater für die Sünden der Welt aufzuopfern.“ Wir werden sehen, wie sie solche Forderungen ganz wörtlich auffaßt und durchführt. Wie kann man besser die Liebe zeigen, besser Sühne leisten, als wenn man ein für allemal seine Wohnung aufschlägt an der Seite Jesu: am Altare, besonders in der Stunde seines unblutigen Opfers, im Tabernakel, in der heiligen Hostie, überhaupt im heiligsten göttlichen Herzen des im Sakrament verborgenen Heilandes? Das war die Ruhestätte der Mutter Klara, wie es so deutlich zeigt ihre innige Betrachtung über die Worte des Hohenliedes 2, 14: „Meine Taube in den Felsenklüften, in der Mauerhöhlung.“ In den „Wunden Jesu des Gekrezigten, vor allem der Wunde seines Herzens“, weilte sie immerfort und lehrte auch andere dort Wohnung nehmen.

Das ist also Voraussetzung und Grundlage: lebendiger Glaube, inniges Vertrauen und starke Hoffnung und vor allem glühende Liebe.

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